Hoch hinaus? Nein!

Lassen sich Verkehrsprobleme lösen, wenn Velos Fahrbahnen auf Stelzen erhalten, fernab der Strasse? Die Meinung unserer Kolumnistin dazu ist klar.

Nicole Soland

Nicole Soland, Autorin
Kommentar, 03.02.2022

Vor ein paar Wochen las ich im Wirtschaftsteil der «NZZ am Sonntag» einen Artikel mit dem Titel «Velo fahren hoch über den Strassen». In Basel entstehe eine 450 Meter lange Velohochbahn aus Holz, berichtete kurz danach online auch das Velojournal.

Die Hochbahn soll mit Sensoren und Digitaltechnik ausgestattet werden, die dafür sorgen, dass bei Frost die eingebaute Heizung eingeschaltet und bei Unfällen Alarm ausgelöst wird. Um die dafür nötige Energie bereitzustellen, werden in den Geländern Photovoltaik-Module integriert.

Der Erfinder des «Bike-Highways», Klaus Kirchmayr, ein Grüner, der im Landrat von Basel-Landschaft politisiert und sich wegen des Velohochbahn-Projekts mit Filzvorwürfen konfrontiert sah, wird in der Zeitung wie folgt zitiert: «Im Verkehr findet zurzeit ein Verdrängungskampf um Platz statt. Wir wollen eine Lösung anbieten, welche die Konfrontation durch ein Nebeneinander ersetzt.»

Das Foto, das den Artikel illustriert, zeigt ein Modell, ein paar Meter Velohochbahn entlang einer Strasse in Muttenz (BL). Die Velohochbahn ist hübsch anzusehen: Holzkonstruktion auf Stelzen, Solarpanel-Geländer, grüner «Strassen»-Belag, durchgezogene und gestrichelte weisse Linien wie auf der Autobahn. Dennoch werde ich den Eindruck nicht los, eine Seite eines Spielzeugkatalogs zu betrachten: Ja, niedlich siehts aus, wie ein Spielzeug, passt zu den Velofahrerinnen, die nimmt auch keiner ernst …

«Ist es wirklich eine gute Idee, die Velos auf die Hochbahn zu schicken, um den Verdrängungskampf um Platz auf der Strasse zu lindern?» 

Das mag jetzt tönen wie das Motzen einer verzogenen Göre – da macht man extra etwas für die Velofahrenden, aber sie sind trotzdem nicht zufrieden! Und dennoch: Ist es wirklich eine gute Idee, die Velos auf die Hochbahn zu schicken, um den «Verdrängungskampf um Platz» auf der Strasse zu lindern? 

Beim «Verdrängungskampf um Platz» handelt es sich, insbesondere in den Städten, vor allem um ein Rückzugsgefecht: Vor rund 70 Jahren begann die Zeit, als man möglichst den ganzen verfügbaren Platz dem Auto zur Verfügung stellte.

Noch bis in die 80er-Jahre hinein fuhren die Autos mit 60 km/h durch die Dörfer, und unter den Verkehrsmitteln war das benzinbetriebene Auto die unangefochtene Nummer eins. Die Erkenntnis, dass es ein Leben nach dem – beziehungsweise ohne – Auto geben muss, hat sich erst in der jüngeren Vergangenheit durchgesetzt.

Angesichts des Klimawandels ist diese Erkenntnis zukunftsweisend: Wir brauchen erstens weniger Mobilität und zweitens eine andere, eine umwelt- und menschenverträglichere Mobilität, und zwar nicht erst in 30 Jahren. Gefragt sind Verkehrsmittel, die viel weniger Platz brauchen als Autos. Wir brauchen mehr Velos! Und zwar auf Strassenebene und im Mittelpunkt. Weder an den rechten Fahrbahnrand gedrängt noch in den Holzhimmel gehoben.