Velofahren auf dem Trottoir

Ihre Frage an Dr. V. Love

Dr. V. Love, Velosoph (dr.v.love@velojournal.ch)
VLove, 29.01.2020

Lieber Dr. V. Love

Der Bundesrat will Kindern bis 12 Jahre das Velofahren auf dem Trottoir erlauben. Als Begründung wurde genannt, dass mit dieser Massnahme die unerfahrensten Verkehrsteilnehmer besser geschützt werden sollen. Mit dem gleichen Argument könnte man aber auch Senioren, die die letzten 40 Jahre hinter dem Steuer verbracht haben und sich nun ein E-Bike kaufen, aufs Trottoir schicken. Velos gehören auf die Strasse beziehungsweise brauchen eine eigene Infrastruktur. Oder sehe ich das zu eng?

Daniel Müller, Oberengstringen

Lieber Herr Müller

Mitnichten! Das Einzige, was zu eng ist, sind die Trottoirs. Man sollte sie durchgehend vierspurig anlegen: Spur 1 gehört ganz den FussgängerInnen, auf Spur 2 üben die Unter-12-Jährigen die geschmeidige velozipedöse Fortbewegung, Spur 3 darf die Generation Ü 65 mit ihren dicken E-Bikes in Beschlag nehmen, und auf Spur 4 radeln die ganz normalen Velofahrenden. Das braucht Platz, sagen Sie? Und wir sind in der Schweiz, sagen Sie? Problem, Problem? Nein. Alles wird ganz einfach und fügt sich, wenn wir noch etwas weiterdenken.

Die Infrastruktur existiert bereits, man muss sie nur anders nutzen. Was heute Strasse ist, soll morgen Trottoir sein – und umgekehrt. Autos ab auf die Gehsteige! Das ganze Aneinandervorbeizirkeln dortselbst wird gleich noch die Unfälle mit Todesfolgen deutlich verringern. Das Fahren auf einer Kriechspur, so quasi, dürfte ferner zur Folge haben, dass die Lust am Auto rapide abnimmt. Die Klimabewegung dankt. Draussen on the road, vom bescheidenen Quartiersträsschen über grosszügige Hauptachsen bis zu den Autobahnen, werden sich fröhlich all die Leute tummeln, die den Spass an der Fortbewegung mit einer Haltung verbinden. Und der verstaubte Slogan «Freie Fahrt für freie Bürger» ergibt nach all den Jahren endlich einen Sinn.

Abends wollen die Leute aber doch ihre Ruhe haben, und nun fahren die Autos noch näher an den Wohnungen vorbei, sagen Sie? Nun, um 18 Uhr klappen wir jeweils die Gehsteige hoch. Und in allen Monaten, die mit K anfangen, bleiben sie gleich 24 Stunden am Tag oben.
 

Sieht eh immer alles nicht so eng und fährt gut damit: Ihr Dr. V. Love

Ihre Fragen an: dr.v.love@velojournal.ch