#MeToo

Ihre Frage an Dr. V. Love

Dr. V. Love, Velosoph (dr.v.love@velojournal.ch)
VLove, 14.11.2019

Frage an Dr. V. Love

Kürzlich radelte ich an einem sonnigen Herbsttag durch die Stadt und fröhlich pfeifend an einer jungen Velofahrerin vorbei. Als ich auf gleicher Höhe wie sie war, schaute ich kurz zu ihr hinüber – und mein geplantes Grusswort erstarb mir augenblicklich auf den Lippen. Die junge Dame schaute mich so böse an, dass ich fast vom Velo fiel. Dabei hatte ich doch nur etwas Freude in den Alltag bringen wollen (und nicht etwa ihr nachgepfiffen).

Man ist sich ja einiges gewöhnt unter den Zürcher Verkehrsteilnehmenden: Da wird gerüpelt, gehupt und geflucht und vor allem auch böse geschaut. Aber diese Frau schlug alles! Darf man nach #MeToo nicht mehr in der Nähe von Frauen auf dem Velo gute Laune zeigen?

Fragend, ihr Edgar T., Zürich

Lieber Herr T.

Nein, #MeToo ist nicht für alles verantwortlich. Falls Sie es vergessen haben sollten: Sie wohnen in Zürich – der Stadt, in der man in den Keller geht, wenn man mal gute Laune hat. Wenn Sie öfter versuchen, mit dem Zweirad durch die City zu rollen, wissen Sie ja auch, dass Velo fahren in Downtown Switzerland eher selten das Zentrum zur Ausschüttung von Glückshormonen aktiviert.

Ihre Frage ist aber auch eine Stilfrage: Cruisen Sie bevorzugt im Borat-Badehosen-Outfit rum oder in klassischer Trench­coat-getönte-Brille-Schnauz-Trieb­täter-Montur, wäre es allenfalls verständlich, dass ein Gegenüber als Reaktion auf Ihr Gepfeife nicht gleich seinen gesamten Alltagscharme mobilisiert. Aber Spass beiseite. Leute, die in der Öffentlichkeit vor sich hin pfeifen, sind selbst mir Philantropen zumindest mittelgradig suspekt. Abgesehen davon, dass einem dabei stets das klassische Baustellenszenario in den Sinn kommt mit Maurern und Gerüstbauern, die in Richtung vorbeiflanierender Rockträgerinnen zwitschern: Haben Sie nie «M – Eine Stadt sucht einen Mörder» gesehen? Genau, den Filmklassiker mit Peter Lorre als Kindermörder – der, wenn er sich seinen Opfern nähert, jeweils eine kleine, muntere Melodie pfeift.
Drum, werter Herr T.: gülden-bunter Herbsttag hin, gute Laune her. Lassen Sie Ihre positiven Vibes anders raus als durch geschürzte Pfeiflippen, wenn Sie nicht als, well: weirde Pfeife durchgehen wollen.
 

Pfeift halt nicht auf alles:
Ihr #VelojournalwhistleblowerDrVLove

Ihre Fragen an: dr.v.love@velojournal.ch