Auf dem falschen Fuss erwischt

Der Stillstand des öffentlichen Lebens ist nicht spurlos an den Pro-Velo-Regionalverbänden vorbeigegangen. Die Absage zahlreicher Velobörsen hinterlässt bei ihnen ein Loch in der Kasse. Dieses zu füllen, ist nicht einfach.

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Fabian Baumann
30.06.2020

In den vergangenen Wochen wurde unser Leben vor allem von einem Thema bestimmt: dem Coronavirus und den vom Bundesrat beschlossenen Massnahmen zur Eindämmung und Ausbreitung von Covid-19. Diese hatten unterschiedliche Auswirkungen.

Am 17. März mussten alle Geschäfte ausser Lebensmittelläden, Supermärkten, Apotheken, Tankstellenshops und Kioske ihre Türen schlies­sen. Gleichzeitig verwandelte sich die Schweiz praktisch über Nacht in eine Nation von Heimarbeitenden. Als unmittelbares Resultat ging der motorisierte Individualverkehr merklich zurück. Züge, Trams und Busse fuhren mit reduzierter Frequenz und grösstenteils leeren Sitzplätzen.

Dafür konnte in den Monaten März und April eine starke Zunahme des Veloverkehrs beobachtet werden. Die deutlich gestiegene Fahrradnutzung wurde zudem durch Zahlen des Projekts «Mobis-Covid19» der ETH Zürich bestätigt. Die durchschnittlich gefahrenen Velokilometer haben sich demnach während des Lockdown mehr als verdoppelt.

Frühlingsbörsen fielen aus

Gute Zeiten für die Pro-Velo-Regionalverbände, müsste man meinen. Doch die Corona-Pandemie ging auch an ihnen nicht spurlos vorbei. So traf der Lockdown just mit dem Frühlingsbeginn und damit dem Start der Velobörsen-Saison zusammen. Landauf, landab wurden die Börsen abgesagt. Besonders bitter: Zahlreiche Regionalverbände finanzieren mit der Beteiligung aus den Fahrradverkäufen einen erheblichen Teil ihrer Arbeit.

Zürich als einer der grössten Verbände beziffert die Börseneinnahmen auf rund einen Fünftel des Gesamtbudgets. Zug erwirtschaftet normalerweise sogar gut einen Drittel der geplanten Jahreseinnahmen mit den Börsen. In Basel machen sie nur 5 Prozent des budgetierten Postens aus. Weil aber nicht nur die Einnahmen des «Velomärts» wegfielen, sondern auch Geld aus den Fahrkursen und Sicherheitschecks, habe der Lockdown seine Organisation dennoch getroffen, sagt Geschäftsleiter Roland Chrétien gegenüber Velojournal. Man versuche nun zu sparen, was aber nicht so einfach sei.

«Der Lockdown traf just mit dem Frühlingsbeginn und damit dem Start der Velobörsen-Saison zusammen.» 

Regionalverbände reagieren

Und wie gehen andere Regionalverbände mit dieser Situation um? «Wir haben ein neues Budget für das Jahr 2020 erstellt», sagt Andrea Freiermuth, Börsen- und Kommunikationsverantwortliche von Pro Velo Zürich. «Im Corona-Budget rechnen wir bei den Börsen nur noch mit der Hälfte der Einnahmen. Bei den Ausgaben rechnen wir hingegen bloss mit einer Reduktion von 15 Prozent. Die Plakate und Flyer für die abgesagten Börsen waren bereits gedruckt, und wir haben jenen Börsen-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern, die aufs Geld angewiesen sind, die Löhne trotz Ausfall ausbezahlt.»

Das Gleichgewicht zwischen Aufwand und Ertrag sei Corona-bedingt durcheinandergeraten. Zudem sei bei dieser Rechnung der Extra­aufwand der Geschäftsstelle noch nicht berücksichtigt, fährt Freiermuth fort. So habe man alle Register ziehen müssen, um die Börse vom 6. Juni durchführen zu können.

Weil die Gewerbepolizei diese zuerst als Veranstaltung einstufte, wollte sie deren Durchführung verbieten. Nach diversen Gesprächen und der Ausarbeitung eines Schutzkonzepts konnte der Anlass, klassifiziert als Markt, schliesslich stattfinden. «Dafür müssen wir aber mit einer Gebühr von rund 3000 Franken rechnen», fügt Andrea Freiermuth an. Die Zürcher hoffen, die weiteren Börsen des Jahres durchführen zu können, damit das Loch in der Kasse nicht allzu gross wird.

«Pro Velo Regionalverbände können sich im Moment nicht einfach ausruhen und über den Fahrradboom freuen» 

Das Problem von Ausgaben, die fehlenden Einnahmen gegenüberstehen, beschäftigt auch Barbara Irniger. Die Geschäftsleiterin von Pro Velo Luzern erzählt im Gespräch, dass die März-Börse ohne Ersatz gestrichen wurde. «Hier war ärgerlich, dass die Werbekosten und die Vorbereitungsarbeiten bereits angefallen waren.» Sie hoffe nun, dass wenigstens die Herbstbörse plangemäss durchgeführt werden könne. Untätig bleiben wollen die Luzerner bis dahin aber nicht. Irnigers Regionalverband hat die Aktivität auf den Social-Media-Kanälen verstärkt und plant, die Neumitgliederakquise zu intensivieren.

Das Beispiel zeigt: Ausruhen und sich über den derzeitigen Veloboom freuen, das können die Regionalverbände nicht. Verstärktes Engagement ist nötig, um den Ausfall der Velobörsen zu kompensieren. Gleichzeitig freuen sich die regionalen Pro-Velo-Organisationen über Unterstützung ihrer Mitglieder.