Zürichs Quartiere sollen zur Flaniermeile werden

Die links-grüne Mehrheit im Zürcher Gemeinderat hält im Verkehrsrichtplan autofreie Quartierblöcke fest. Dort haben Velofahrerinnen und Fussgänger Vortritt. Gleichzeitig sollen vermehrt Parkplätze abgeschafft werden.

Julie Nielsen, Redaktorin (julie.nielsen@velojournal.ch)
Kommentar, 01.07.2021

Der Zürcher Gemeinderat hat am 30. Juni eine Entscheidung gefällt, die das Erscheinungsbild der Stadt nachhaltig verändern könnte. Nach dem Vorbild Barcelona will eine Mehrheit (bestehend aus SP, Grüne und AL) im Gemeinderat die Zürcher Stadtquartiere in kleinere Quartierblöcke unterteilen. Innerhalb dieser ist der motorisierte Verkehr verboten. Ausgenommen sind nur der Zubringerdienst und der Gewerbeverkehr mit Tempo 20 oder 30.

«Damit trifft der Gemeinderat den Nerv der Stadtzürcherinnen und -zürcher, die bei vergangenen Abstimmungen jeweils deutlich für mehr Grün und bessere Velowege in ihrer Stadt abstimmten.»

Einen solchen Quartierblock gibt es mit dem Glattpark in Opfikon bereits nahe Zürichs Stadtrand. Dort wird der motorisierte Individualverkehr über die mehrspurigen Achsen Thurgauer- und Glattparkstrasse geführt. Hinein fahren nur Anwohnerinnen, Zubringerdienst und der Quartierbus 871 der Glattbrugg via Glattpark mit Oerlikon verbindet.

Auch in der Stadt sollen Buslinien um die künftig entstehenden Blöcke herumgeleitet werden und nur wenn nicht anders möglich in die Miniquartiere hineinfahren. Aus bereits bestehenden Kreuzungen sollen öffentliche Plätze und Treffpunkte werden. Als Beispiele dafür herhalten können die bereits umgenutzten Kreuzungen Röntgen- und Bullingerplatz.

Weniger Parkplätze, weniger Autos

Auch bezüglich der städtischen Parkplätze konnte sich die Allianz aus SP, Grünen und AL durchsetzen. Der vor 25 Jahren beschlossenen Parkplatz-Kompromiss, der vorsieht, dass für jeden abgebauten Parkplatz ein neuer entstehen soll, wird aufgehoben. Im Richtplan wird künftig also festgehalten, dass die Strategie für Parkplätze sich den hohen Ansprüchen bezüglich Aufenthaltsqualität anzupassen habe. Das heisst: oberirdische Parkierungsanlagen sollen abgebaut werden und Platz für Velos, Fussgängerzonen und Grünanlagen machen.

Weniger Autos, mehr Menschen

Die bis anhin gültige Kompromisslösung, dass ein oberirdisch abgebauter Parkplatz wenigstens durch einen Tiefgaragenplatz ersetzt werden muss, gilt neu nicht mehr.

Das Motto der Rot-Grünen Politik lässt sich in der Stadt Zürich wie folgt zusammenfassen: «Macht die Menschen glücklich, nicht die Autos», wie der bekannte dänische Stadtplaner Jan Gehl immer sagt. Die Rechnung ist nämlich einfach: Durch den Abbau von Parkplätzen werden sich die Autofahrten innerhalb der Stadt automatisch reduzieren. Und somit entsteht Platz für den Langsamverkehr und urbane Grünräume.

«Macht die Menschen glücklich, nicht die Autos.»

Jan Gehl

Damit trifft der Gemeinderat den Nerv der Stadtzürcherinnen und -zürcher, die bei vergangenen Abstimmungen jeweils deutlich für mehr Grün und bessere Velowege in ihrer Stadt abstimmten. Nicht zuletzt zeigten die vergangen zwei Critical-Mass-Veranstaltungen mit mehreren tausend Teilnehmenden, wie Velofahrende in Zürich auf ihren Verkehrsanteil pochen und mehr Platz fordern. Es scheint, als ob der Richtplan diesen Forderungen einen grossen Schritt entgegengkommen will.

Nicht zu vergessen ist bei aller Euphorie, dass der Regierungsrat dabei das letzte Wort haben wird und wohl auch das Volk. Die unterlegene Ratsminderheit hat das Referendum angekündigt. Der Streit um die zukünftige Ausrichtung und Klimafreundlichkeit der Limmatstadt geht in weitere Runden.

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