Sicherheit mit Luft nach oben

In den vergangenen 50 Jahren ist die Sicherheit auf Schweizer Strassen gestiegen. Dennoch fordert der Verkehr nach wie vor viele Opfer, wie der aktuelle Sinus-Report der Beratungsstelle für Unfallverhütung zeigt.

Fabian Baumann, Redaktor (fabian.baumann@velojournal.ch)
News, 27.10.2021

  

Es ist eine hohe Zahl, die die Beratungsstelle für Unfallverhütung jüngst präsentiert hat. Mit dem Sinus-Report beleuchtet die BfU das Unfallgeschehen jährlich im Detail. Gemäss der aktuellen Auswertung 2020 verletzen sich jedes Jahr rund 80'000 Menschen im Strassenverkehr.

Nicht alle Unfälle enden mit verehrenden Folgen. Dennoch zeigt die Statistik, dass alleine im letzten Jahr 227 Personen bei Verkehrsunfällen getötet und mehr als 3700 schwer verletzt wurden.

Nicht alle Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer sind gleich gefährdet. Das Risiko, bei einem Verkehrsunfall zu sterben, ist für Personen zu Fuss deutlich höher als für Autoinsassen. Dennoch verlieren – in absoluten Zahlen – jedes Jahr am meisten Menschen bei Autounfällen ihr Leben.

In den vergangenen 50 Jahren ist die Sicherheit im Schweizer Strassenverkehr markant gestiegen. Laut Sinus-Report wurden 1971 im Schnitt jede Woche 34 Menschen bei Verkehrsunfällen getötet. Heute verlieren verunfallen wöchentlich vier Menschen tödlich, also fast 9-mal weniger. Auch die Anzahl der Schwerverletzten liegt heute deutlich tiefer als zu Beginn der 70er-Jahre. Die Statistik verzeichnet 80 % weniger Unfälle mit gravierenden Folgen.

Unfallgeschehen im Detail

Der Sinus-Report analysiert das Unfallgeschehen verschiedener Verkehrsmittel bzw. Nutzerinngruppen, so auch jenes der Velo- und E-Bike-Fahrenden. Für das Jahr 2020 verzeichnen die Unfallforscher der BfU einen Anstieg der tödlichen Velo- und E-Bike-Unfälle. Gegenüber dem Vorjahr verletzten sich auf mehr Menschen schwer.

Allerdings hat die Covid-19-Pandemie im vergangenen Jahr das Mobilitätsverhalten der Schweizerinnen und Schweizer verändert. So schwangen sich deutlich mehr Personen in den Sattel als etwa im Jahr 2020, womit der Anstieg der Unfälle teilweise zu erklären ist. 

E-Bike Unfälle

In Bezug auf die E-Bike-Unfälle liefert der aktuelle Sinus-Report wenig Neues. Die Unfallzahlen steigen seit rund zehn Jahren kontinuierlich an. «Dies dürfte in erster Linie auf eine erhöhte Exposition zurückzuführen sein», heisst es dazu in der BfU-Auswertung. Sprich: Weil immer mehr Menschen in der Schweiz mit Elektrovelos fahren, steigen auch die Unfallzahlen an.

Interessant ist, dass gemäss BfU nicht die Seniorinnen und Senioren am meisten mit E-Bikes verunfallen. «Absolut gesehen sind in der Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen die meisten schweren Personenschäden zu verzeichnen», steht im Report zu lesen. Betrachte man jedoch die Bevölkerungsgrösse, so sind über 65-Jährige am stärksten von Unfällen betroffen.

Ferner bestätigt die Auswertung, dass Zusammenstösse mehrheitlich nicht von den Elektrovelofahrerinnen und -fahrern verursacht werden. In drei von fünf Fällen liegt die Schuld für eine Kollision mit schwer oder tödlich verletzten E-Bikern beim Kollisionsgegner. In Verkehrskreiseln ist gar nur jeder zehnte Unfall mit Elektrovelobeteiligung auf einen Fehler des Zweiradlenkers oder der -lenkerin zurückzuführen.

Velo Unfälle

Das Risiko, bei einem Unfall mit dem Fahrrad schwer verletzt zu werden, ist für Menschen zwischen 45 und 64 Jahren am höchsten. In dieser Altersgruppe verzeichnet die Unfallstatistik denn auch den stärksten Anstieg der schweren Velounfälle im Jahr 2020. Laut Sinus-Report ergaben Unfallauswertungen, dass bei schweren Unfällen von 18- bis 44-jährigen Personen häufig Alkohol im Spiel war.

Ereignen sich Kollisionen, so zeigt sich bei den Velounfällen ein ähnliches Bild wie bei Zusammenstössen von E-Bikes und Autos. Nur jede dritte mit dem Velo bei einem Zusammenstoss verletzt oder getötete Person trägt die Schuld am Unfall.

­


Luft nach oben

fb. Der Schweizer Strassenverkehr ist in den vergangenen 50 Jahren sicherer geworden. Das ist gut. Dennoch zeigt sich, dass längst nicht alle Verkehrsteilnehmer und Verkehrsteilnehmerinnen gleichermassen von Verbesserungen bei der Sicherheit profitieren. Während moderne Autos die Insassen bei Unfällen heute viel besser schützen als noch vor einigen Jahrzehnten, sind insbesondere Fussgängerinnen und Velofahrer im Verkehr wenig geschützt. Politik und Verkehrsplanung müssen darum stärker bei den Schwächsten ansetzen. Wie das geht, ist eigentlich bekannt: Es braucht mehr Tempo-30-Zonen, mehr Platz für Fussgängerinnen in Städten und Dörfern und eine Veloinfrastruktur, die ihrem Namen gerecht wird und den Ansprüchen der Velofahrerinnen und E-Biker Rechnung trägt.

Über den Sinus-Report

«Sicherheitsniveau und Unfallgeschehen im Strassenverkehr» – ist eine jährliche Publikation der BFU und des Fonds für Verkehrssicherheit FVS. Es handelt sich um ein statistisches Referenzwerk für Strassensicherheitsfachleute und alle Interessierten. Verschiedene Indikatoren (z. B. Verletzungen, Verkehrsdelikte, individuelles Schutzverhalten, Einstellung zum Thema Sicherheit) helfen, die aktuelle Situation zu beschreiben, die Entwicklung der Verkehrssicherheit zu verfolgen und Probleme zu identifizieren.

Empfohlene Artikel

Mann mit weissem Uvex Velohelm fährt in der Dämmerung einer Brück entlang
News

Mehr als nur ein Helm

Bundesrat will keine Velo-Nationalstrassen.
News

Für Velo-Nationalstrassen besteht keine Notwendigkeit

Bikeable Interview mit Daver Durner.
News

«Gefährliche Situationen müssen vor Ort beurteilt werden»