SBB bitten Velofahrende zur Kasse

Der Veloboom hat Folgen, auch im öffentlichen Verkehr. Noch nie wurden so viele Velotickets gelöst, wie im vergangenen Sommer. Nun reagieren die Bundesbahnen. Mit einer Reservationspflicht.

Pete Mijnssen ist Chefredaktor des Velojournals.

Pete Mijnssen, Chefredaktor (pete.mijnssen@velojournal.ch)
Blog, 20.11.2020

Zugegeben, es ist der Albtraum aller Zugsbegleiterinnen: Wenn an einem heissen Sommertagen der Zug eh schon proppenvoll ist und verspätet, sich vor dem Velo- Gepäckwagen noch müde Biker um einen Platz im Intercity balgen, dann liegen die Nerven blank.

Oft ist dann neben Velos, Kinderwagen und Freizeitgerät kein Durchkommen mehr und somit sind auch die Notausgänge versperrt.
Die SBB reagieren nun auf solche Situationen auf ihre Art.

Wie die «NZZ» schreibt, planen sie ab März bis Ende Oktober 2021 eine obligatorische Velo-Reservationspflicht in allen Intercity-Zügen. Diese Regelung galt bis anhin nur in den ICN-Neigezügen und kostet fünf Franken pro Fahrt (neben der Velotageskarte von Fr. 14.-).

Im Gegensatz zum Rest der mit Gepäck reisenden Personen und der Familien mit Kinderwagen bezahlt die Velogemeinde also ihren «Fairshare» - ihren Anteil an diesem ökologischen Huckepack.

«Die Bundesbahnen sollten gerade jetzt ihre treusten Kunden nicht mit prohibitiven Tarifen vergraulen.»

Velo und Bahn, das ist eine nicht ungetrübte Liebesheirat. Ende der Neunzigerjahre wollte ein übereifriger Beamter an einem schönen Frühlingstag in Zürich den Veloverlad ins Tessin glattweg verbieten. Und löste damit einen Sturm der Entrüstung aus.

Seither und dank ständigem Druck seitens der Velo-Lobby gilt die Schweiz als Pionierin auf diesem Gebiet und baute das Mitnahmesystem aus. Aber immer mit Kapazitätsengpässen während der Sommermonate. Damit bleibt das Thema immer aktuell.

Es gibt deshalb böse Zungen, die behaupten, es gäbe bei den Bundesbahnen noch immer zwei Fraktionen: diejenige, welche dem Personentransport oberste Priorität einräumt und diejenige, welche am liebsten nur leeres Wagenmaterial verschieben würde.

Wie auch immer: Die jetzige Lösung für die oben genannten Platzprobleme scheint definitiv aus der Technokraten-Abteilung zu kommen. Hat man ein Problem, verlange man einfach mehr Geld!

Dabei kann nur ein zeitgemässer Platzausbau für die Bedürfnisse der Freizeitgesellschaft Abhilfe schaffen. Die Bundesbahnen sollten gerade jetzt ihre treusten Kunden nicht mit prohibitiven Tarifen vergraulen. Sonst könnten sich die Velofahrenden als unfreiwillige Zahlopfer für die Corona gebeutelten SBB vorkommen und wie viele andere auch aufs Auto umsteigen.

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