Julie Nielsen,
Redaktorin
(julie.nielsen@velojournal.ch)
Kommentar,
19.02.2023
Die BfU will mit der neuen Kampagne Velofahrenden dazu bringen, eine Leuchtweste zu tragen. Ist der leuchtende Stofffetzen wirklich ein Lösungsbeitrag zur Unfallverhütung – oder wird hier Symptom statt Ursache bekämpft?
Julie Nielsen,
Redaktorin
(julie.nielsen@velojournal.ch)
Kommentar,
19.02.2023
Die Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU) empfiehlt Velofahrenden mit ihrer aktuellen Kampagne eine Leuchtweste zu tragen, damit sie von anderen (motorisierten) Verkehrsteilnehmenden besser gesehen werden. Beziehungsweise weniger überfahren werden.
Eine Leuchtweste beim Velo- oder E-Bike-Fahren in der Dämmerung oder Dunkelheit helfe, Kollisionen zu vermeiden. Trotzdem trügen nur 5 % eine, stellt die BfU fest.
Eine Leuchtweste sei hilfreich, um auf dem Velo oder E-Bike das Risiko einer Kollision deutlich zu reduzieren, heisst es weiter bei der Beratungsstelle für Unfallverhütung. Darauf deute eine dänische Feldstudie hin.
Diese kam zum Schluss, dass Leuchtjacken das Kollisionsrisiko um fast 40 % reduzieren. Aufgrund ihrer Eigenschaften wirken Leuchtwesten und Leuchtjacken sowohl in der Dunkelheit wie auch tagsüber.
Während Reflektoren und Leuchtstreifen vor allem in der Dunkelheit ihre Wirkung entfalten, erhöhen knallige Farben die Sichtbarkeit bei Tageslicht.
Eine Umfrage im Rahmen einer neuen BfU-Studie zeigt jedoch, dass bei Tageslicht nur knapp jede dritte befragte Person in der Schweiz Leuchtwesten als «sehr hilfreich» zum Schutz vor Kollisionen betrachtet.
Fast ein Drittel findet, Leuchtwesten würden am Tag kaum etwas oder überhaupt nichts bringen. Deutlich höher wird der Nutzen in der Dämmerung oder Dunkelheit eingeschätzt: 93 % sehen einen Sicherheitsgewinn.
Das zeigt die Beobachtungsstudie, welche die BfU im vergangenen Oktober an 25 Standorten in der Schweiz durchgeführt hat. Insgesamt wurden rund 5300 Personen auf dem Velo oder E-Bike registriert.
«Es ist unbestritten, dass helle Kleidung in leuchtenden Farben zu mehr Sichtbarkeit führt.»
Am höchsten war die Tragquote von Leuchtwesten bei den Lenkenden von schnellen E-Bikes in der Dämmerung und Dunkelheit (21 %) sowie bei Tageslicht (10 %). Auf dem Velo waren es dagegen lediglich 3 % bzw. 2 %.
Selbstredend ist die BfU mit diesem Resultat nicht zufrieden und startet mit einer Tierkampagne als Sympathieträger. So posieren in eine knallgelbe Leuchtweste gezwängt ein Frosch, Hirsch oder eine Katze. Darunter der BfU-Slogan: «Liebe Velofans, könnte ich doch wie ihr eine Leuchtweste tragen.»
Es ist unbestritten, dass helle Kleidung in leuchtenden Farben zu mehr Sichtbarkeit führt. Gerade in Dunkelheit oder bei schlechtem Wetter und nebligen Tagen führt mehr Sichtbarkeit zu mehr Sicherheit.
Allerdings wird mit solchen Aussagen die Schuld bei etwaigen Kollisionsunfällen den Velofahrenden untergeschoben. Es wirkt wie das bekannte Victim Blaming, welches Frauen sehr häufig erleben müssen: «Wenn du solche Kleidung trägst, darfst du dich nicht wundern, wenn du Opfer von sexuellen Übergriffen wirst.» – nur umgekehrt.
Wer die Leuchtweste nicht trägt, darf sich nicht wundern, wenn er überfahren wird. Selber Schuld, wenn man sich nicht richtig schützt!
Ein leuchtendes Kleidungsstück ist doch eine sehr einfache Lösung und kostet nichts. (Ausser natürlich die von der BfU empfohlenen Leuchtweste, die Velofahrende selber berappen sollen.)
«Wer die Leuchtweste nicht trägt, darf sich nicht wundern, wenn er überfahren wird. Selber Schuld, wenn man sich nicht richtig schützt!»
Wirklich schützen würde eine Infrastruktur, die Velofahrende vom motorisierten Verkehr separiert. Mit abgetrennten Velowegen etwa, Vorzugsgrün, Tempolimiten und Mindestabstands-Regeln.
Diese Massnahmen würden Velofahrer mit dem ihnen zugesprochenen Platz und beschützenden Verkehrsregeln auch sichtbarer machen. «Die Leuchtweste wird das alles schon richten» ist einmal mehr ein vereinfachter Ansatz für ein komplexes Problem.
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