Doppelt abgewatscht

Zuerst die rote Laterne im Prix Velo Veloklimatest, dann auch noch die Absage zur Durchführung des Velocity-Kongresses 2024. Was läuft in der Stadt Zürich gerade falsch?

Pete Mijnssen ist Chefredaktor des Velojournals.

Pete Mijnssen, Chefredaktor (pete.mijnssen@velojournal.ch)
Kommentar, 23.05.2022

Bis im März schien alles gut zu laufen. Eine Delegation der European Cyclists’ Federation ECF hatte die Lokalitäten in Zürich besichtigt und das Programm geprüft. Im Vorfeld bewilligte der Gemeinderat 3 Millionen Franken, die der europäische Lobbyverband als Bedingung für die Zulassung verlangt.

Diese Summe erhält der ECF jeweils für Honorare und Spesen, etwa für die Nutzung des Markennamens Velocity oder das Weitergeben von Fachwissen. Die Hälfte der Kosten wird über Einnahmen während der Konferenz gedeckt.

Besser als auch schon reicht nicht

Das hatte zu gehässigen Kommentaren der Ratsrechten geführt, die den ECF als geldgierige Lobby-Organisation bezeichnete. Die Mehrheit sah den Anlass jedoch als Chance, Zürich als Velostadt zu präsentieren.

Schliesslich stehe es um die Veloinfrastruktur in der Stadt «besser als auch schon». Von der Konferenz erhoffte man sich zusätzlichen Schub. Letztlich gehe es auch darum, das Velo als klimafreundliches Fortbewegungsmittel zu etablieren. 

Nun hat sich der ECF aber für das belgische Gent als Austragungsort entschieden. Die Bewerbung der Stadt Zürich wurde zwar gelobt und der geleistete Aufwand gewürdigt.

Weshalb die Wahl nicht auf Zürich fiel, wurde vom ECF damit begründet, «dass sich die Veloförderung in Gent an einem anderen Punkt befinde als in Zürich», schreibt das Tiefbauamt in einem dünnen Communiqué vom 20. Mai.

Pro Velo enttäuscht

Yvonne Ehrensberger von Pro Velo Zürich ist «enttäuscht und traurig über den Entscheid», wie sie auf Anfrage von Velojournal mitteilt.

Man habe für die Bewerbung das Beste gegeben, sehr viele wichtige Velo-Akteurinnen und -Akteure zusammengebracht und eine breite und spannende Veloszene präsentiert.

«Weshalb die Wahl nicht auf Zürich fiel, wurde vom ECF damit begründet, dass sich die Veloförderung in Gent an einem anderen Punkt befinde als in Zürich.»

Der Entscheid des ECF sei dennoch nachvollziehbar. In der Stadt Zürich habe sich trotz verstärktem Tempo in den letzten Jahren in Bezug auf die Veloinfrastruktur zu wenig getan, sagt sie selbstkritisch. So sei die Siegerstadt Gent Zürich eine Velolänge voraus und könne effektive Erfolge bei der Veloförderung verzeichnen.

Trotz Anstrengungen beträgt der Velo-Anteil am Zürcher Gesamtverkehr noch immer unter zehn Prozent.

Wettbewerb unter Velostädten

Die Velocity-Konferenz findet seit 1980 alle zwei bis drei Jahre statt. Für die bewerbenden Städte ist dies immer auch mit einem Wettbewerb um die besten Lösungen verbunden und für die Velolobby eine gute Gelegenheit, zusammen mit den Behörden Verbesserungen zu erzielen.

«Trotz Anstrengungen beträgt der Velo-Anteil am Zürcher Gesamtverkehr noch immer unter zehn Prozent.»

So profitierte Basel als Austragungsort 1995 von einem Velo-Schub, musste aber gerade kürzlich Platz zwei als Velostadt an Bern abgeben. Das Velorad muss eben immer schön in Bewegung bleiben.

Für Ehrensberger ist das Zeichen an Zürich klar: «Sobald Ihr Eure Pläne in die Realität umgesetzt habt, kommen wir wieder und können der Velofachwelt etwas bieten.»

Hier hakt Pro Velo ein und fordert die rasche Umsetzung des sicheren und durchgängigen Velonetzes für alle in der Stadt Zürich. In der Hoffnung, dass es das nächste Mal klappt.

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