Die Schweizer Autoflut

Die Schweiz wächst, eben hat sie die Grenze zu 9 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner überschritten. Während die SVP vor der 10-Millionen-Schweiz warnt, liegt das Problem woanders.

Pete Mijnssen ist Chefredaktor des Velojournals.

Pete Mijnssen, Chefredaktor (pete.mijnssen@velojournal.ch)
Kommentar, 26.09.2024

Wie viele Menschen verträgt das Land? Das hat sich kürzlich der Schriftsteller Peter Stamm in einem Gastbeitrag in der NZZ gefragt. Ein Reizthema, das schon länger beschäftigt und welches die SVP vorab für ihre migrations- und asylkritische Politik bewirtschaftet.

Auf der anderen Seite stehen Raumplanerinnen und -planer sowie Wirtschaftsverbände, die der Entwicklung gelassen entgegenschauen – vorausgesetzt, es werden die richtigen Weichen gestellt. Wie etwa Verdichtung und ökologischer Ressourcen-Umgang.

Die Hüslischwiiz sorgt für Zersiedelung

Der Trend geht aber noch immer in die andere Richtung. Die «Hüslischwiiz», wie sie der Architekt und Hochparterre-Doyen Benedikt Loderer nennt, ist weiter im Vormarsch. Pro Sekunde wird in der Schweiz gut ein Quadratmeter Fläche verbaut.

Das Bevölkerungswachstum trägt nur einen kleinen Teil dazu bei. Vielmehr ist es der durch Wohlstand gewachsene Platzbedarf, den Frau und Herr Schweizer beanspruchen. Und ja, die Zersiedelung.

Die Übermotorisierte Schweiz

Stamm (Jahrgang 1963) rechnet vor, dass die Bevölkerung seit seiner Geburt um 57 Prozent gewachsen ist, die Zahl der Motorfahrzeuge aber um gewaltige 640 Prozent zugenommen hat. Heute gibt es 6400-mal so viele Autos wie damals. Auf ein Auto kommen zwei Personen. «Vielleicht müsste man nicht von einer Überbevölkerung, sondern von einer Übermotorisierung der Schweiz sprechen», so Stamm.

Als Velofahrende erleben wir diese Auswirkungen täglich, der Platzkampf um den Verkehrsraum ergibt aber vor diesem Hintergrund nochmals ein anderes Bild.

«Anstatt über den Autobahnausbau im November abzustimmen, wäre ein haushälterischer Umgang mit den Land-Ressourcen nötiger denn je.»

Stadtraum wird neu definiert

Dennoch zeigt die Entwicklung in den Städten, dass die Übermacht des Autos am bröckeln ist. Eben hat das Zürcher Stimmvolk zwei Vorlagen für eine ökologischere Stadt deutlich angenommen. Ein Blick in die Schweizer Landschaft, aber auch in andere Länder zeigt, dass dies keine isolierte Entwicklung ist. Paris, Kopenhagen, Groningen oder Amsterdam treiben die Verkehrswende voran. Sogar im Moloch New York kann man in der Innenstadt inzwischen bequem Velofahren.

Die Verkehrsstaus finden heutzutage hauptsächlich an den Stadträndern statt – und im Schweizer Mittelland. Anstatt über den Autobahnausbau im November abzustimmen, wäre ein haushälterischer Umgang mit den Land-Ressourcen nötiger denn je.

Unser ausgezeichnetes öffentliches Verkehrsnetz bietet eine attraktive Alternative dazu. Umsteigeknoten in wenigen Kilometern zwischen Wohn- und Arbeitsort sind für fast alle Schweizerinnen und Schweizer vorhanden.

Perfekte Voraussetzungen also, die Schweiz zum Veloparadies zu machen. Weniger übermotorisierter Verkehr, dafür mehr Veloschweiz lautet die Losung.

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