Ein spezielles Jahr liegt hinter uns, im wahrsten Sinn ein verrücktes. Corona hat auch die Velowelt auf den Kopf gestellt. Zum Glück meistens im positiven Sinn, denn das Fahrrad war ein Gewinner in dieser Krise. Die Frühlingsbilder der fast autofreien Strassen und den vielen Zweirädern werden wir nicht so schnell vergessen.
Nach Aufhebung des Lockdowns haben wir aber auch erlebt, wie schnell diese Velowelle verebben kann, wenn der normale Verkehrswahnsinn wieder Überhand gewinnt. Aus dem starken Velo-Selbstbewusstsein wurde rasch wieder eine Strassenrand-Erscheinung. Dennoch gab es gerade dieses Jahr einen Ruck in Richtung velo- und menschengerechte Städte. Auch das ist eine Entwicklung der Coronakrise: sie hat neben dem Digitalisierungsschub auch die Verkehrswende vorangetrieben.
«Corona hat auch die Velowelt auf den Kopf gestellt. Zum Glück meistens im positiven Sinn, denn das Fahrrad war ein Gewinner in dieser Krise.»
Dabei hilft, dass zwei Jahre nach dem Ja zum Velowegartikel das Veloweggesetz nächstes Jahr ins Parlament kommt. Mit der in der Verfassung verankerten Veloförderung geht die Schweiz weiter als etwa die Niederlande mit dem pionierhaften Masterplan Fiets. Zwar könnte der Föderalismus noch zu Verzögerungen und unterschiedlichen Gesetzes-Auslegungen in den Kantonen führen. Die schlimmste Vorstellung wäre ein noch jahrelanger Flickenteppich, wenn die Politik keine strengen Regeln definiert. Anschauungsunterricht dazu bietet die aktuelle Pandemie-Diskussion.
Dennoch kommen aus dem Bundesamt für Strassen Astra ungewohnte und ermutigende Töne. So schliesst der Amtsdirektor Jürg Rötlisberger in einem Gespräch mit Velojournal nicht aus, dass die Städte in Zukunft mehr Spielraum erhalten sollen. Der Städteverband doppelt nach und verlangt eine Senkung der Höchstgeschwindigkeiten innerorts, damit sich alle Verkehrsteilnehmenden im Strassenraum geschwindigkeitsmässig auf Augenhöhe begegnen.
«Mit der geplanten Reduktion von Parkplätzen wird in nächster Zeit mehr Platz für das Velo bereitstehen.»
Mit der geplanten Reduktion von Parkplätzen wird in nächster Zeit mehr Platz für das Velo bereitstehen. Auch das ein wichtiger Aspekt, damit Zufussgehende und der Veloverkehr sich nicht in die Quere kommen. Natürlich werden wir uns weiterhin auch im nächsten Jahr über die vielen herumstehenden und liegenden Leihtrottis ärgern, aber auch das gehört zur dynamischen Entwicklung. Auch da muss die Politik klare Rahmenbedingungen setzen. Die Themen werden uns jedenfalls nicht ausgehen – es bleibt spannend!
Im Namen des Velojournal-Teams wünsche ich geruhsame Adventszeit und en guete Rutsch.
Pete Mijnssen,
Herausgeber