SBB und Velo: Wenn PR an der Realität scheitert

«Pünktlich zur schönen Jahreszeit bietet SBB Mobile eine neue Komfortfunktion für alle Velofahrenden.» So lautet die frohe Kunde, die die SBB erst kürzlich verschickten. Die Realität sieht leider anders aus.

Pete Mijnssen ist Chefredaktor des Velojournals.

Pete Mijnssen, Chefredaktor (pete.mijnssen@velojournal.ch)
Glosse, 27.06.2024

Die SBB werben für den Velotransport mit den blumigen Worten: «Wenn Sie für Ihre Fahrten Ihr Velo mit dem ÖV kombinieren, reisen Sie flexibel – und die Natur freut sich auch». 

Nun, wohlan. Genau das machte ich an einem dieser mittelschönen Junitage am Donnerstag-Nachmittag auf der Fahrt von Zürich nach Olten. Ich hatte mich gefreut, dass die Veloplatzreservierung auf dem IC funktioniert hatte, was zuvor nie gelungen war, trotz Velo-GA.

Frohgemut lief ich sieben Minuten vor Abfahrt zum nächsten Zugabteil mit dem Velosignet an der Spitze des doppelt geführten IC5 (es gibt dort insgesamt 12 Veloplätze). Davor hatte sich eine Zugsbegleiterin postiert, die halbfreundlich fragte, ob der Veloreisende eine Reservation hätte. Als ich dies bejahte, schickte sie mich ganz an das andere Zugende. Protestierend und zuvor darauf hinweisend, dass ich an der nächsten Station wieder ausstiege, erreichte ich den letzten Wagen kurz vor der Abfahrt, wo ich auf ein leeres Veloabteil stiess.

So weit so gut, dachte ich – die gestrenge Frau Zugsbegleiterin wisse schon, warum sie mich dorthin schickte. Alle anderen Veloplätze müssten sicher voll sein. Getrieben von Neugierde machte ich dennoch die Probe aufs Exempel und durchlief den ganzen Zug: Gähnende Leere bei den Velostellplätzen!

«Liebe SBB, das habt Ihr super gemacht!»

In Olten prüfte ich auch das dritte Veloabteil in der vorderen Zugskomposition und fand – oh Wunder, einen Passagier, der auf einem Not-Klappsitz sass. Eine weitere Überprüfung des vordersten Veloabteils konnte aus Zeitgründen nicht erfolgen. Ich bin aber überzeugt, dass es dort bestimmt nur so von Velos wimmelte!

Einmal mehr hat die SBB-PR-Abteilung schöne Worte produziert und salbungsvoll das Tandem Velo-ÖV beschworen und ja, die Natur durfte auch nicht fehlen. Schöne Worte, die an der Realität des gestrengen Personals wieder einmal gescheitert sind.

Rekapituliert: Ich bezahle mit meinem Velo-GA (auf das ich übrigens nicht verzichten möchte) nicht nur zusätzlich einen Reservationsobolus im leeren Veloabteil. Ich darf dafür auch noch ans Zugende springen (das kann man als Bundesbahn diesen Velofritzen ja zumuten und sich dann erst noch beklagen, dass der Zug deswegen nicht pünktlich abfahren kann) und spendiere einem Passagier erst noch einen Sitzplatz, der für Velos reserviert ist.

«Einmal mehr hat die SBB-PR-Abteilung schöne Worte produziert und salbungsvoll das Tandem Velo-ÖV beschworen und ja, die Natur durfte auch nicht fehlen. Schöne Worte, die an der Realität des gestrengen Personals wieder einmal gescheitert sind.»

Liebe SBB, das habt Ihr super gemacht – darf ich bei Euch in der Marketingabteilung einsteigen? Ich bewerbe mich für die Abteilung «Ehrliche Meinungen», so wie es ein grosses Elektronik-Unternehmen augenzwinkernd und erfolgreich vormacht. Eine grosse Gefolgschaft wäre euch gewiss.

PS: Eine Idee hätte ich auch schon: Die praktischen Reisetipps – sie wären unterschrieben von «Ihrem freundlichen Zugsbegleiter-Team».

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