Die Verkaufszahlen von Elektrovelos steigen in Europa seit Jahren an. In den Niederlanden wurden 2023 gar mehr E-Bikes als konventionelle Fahrräder verkauft. Und auch hierzulande verfügt mittlerweile rund jedes zweite neue verkaufte Velo über einen Elektroantrieb.
In einer Hinsicht unterscheidet sich die Schweiz aber deutlich von anderen Ländern. Nirgendwo sonst ist der Anteil schneller E-Bike, sogenannter Speedpedelecs, die bis 45 km/h Tretunterstützung bieten, so hoch wie hier.
Gemessen an den Gesamtverkäufen sind schnelle E-Bikes zwar auch in Belgien und in zunehmendem Mass in den Niederlanden populär. Die Schweiz ist in diesem Segment aber Spitzenreiter. Der Marktanteil der Speedpelecs liegt zwischen 10 und 15 Prozent.
Mit ein Grund dafür sind die liberalen Vorschriften für schnelle E-Bikes. Diese gelten seit 2012 als «Motorfahrräder» (Mofas), mit denen die Nutzung der Veloverkehrsflächen generell erlaubt ist. Auch in Bezug auf die technischen Anforderungen setzt die Schweiz auf das Motto «weniger ist mehr», wodurch die Hürden zur Nutzung von schnellen Elektrovelos weiter sinken.
Potenzial zur Verkehrsverlagerung
Forschende aus der Schweiz sind darum der Frage nachgegangen, welches Potenzial Speedpedelecs als Alternative zu motorisierten Verkehrsmitteln (Auto, Motorrad) haben. In einem in der Zeitschrift Belgeo veröffentlichten Artikel diskutieren Emmanuel Ravalet, Dimitri Marincek und Patrick Rérat verschiedene Aspekte. Die drei Wissenschaftler befragten 1420 E-Bike-Käuferinnen und -Käufer aus dem Raum Lausanne, 15 Prozent davon erwarben ein schnelles Elektrovelo.
In der Gruppe der Nutzerinnen und Nutzer schneller E-Bikes sind über 40-jährige Männer in der Mehrheit. Familien mit Kindern sowie einem hohen Haushaltseinkommen (mehr als 9000 Franken) sind ebenfalls prädestiniert für den Besitz eines Speedpedelecs.
Warum schnelle E-Bikes gekauft werden
Die Auswertung zeigt, dass für den Kauf eines schnellen E-Bikes hauptsächlich vier Gründe sprechen: die Möglichkeit, schneller oder weiter zu fahren als mit einem herkömmlichen Velo; die Freude am Fahren mit einem E-Bike; mehr oder weiter Velofahren zu können; eine Alternative zum Auto oder zu öffentlichen Verkehrsmitteln zu haben.
Laut dem Artikel werden Speedpedelecs häufiger für längere Strecken genutzt als E-Bikes. Dreiviertel der befragten Besitzerinnen und Besitzer eines schnellen Elektrovelos betrachten Distanzen von 15 km und mehr als gut machbar. Demgegenüber kann sich nur die Hälfte der Nutzerinnen normaler Elektrovelos vorstellen, dieselbe Distanz pedalierend zurückzulegen.
60 Prozent der Besitzerinnen von Speedpedelecs gaben an, ihr Auto seit dem E-Bike-Kauf weniger zu nutzen. Ein Fünftel gab gar an, ganz auf Auto oder Motorrad zu verzichten. Mit konventionellen Elektrovelos werden dagegen eher ÖV-Fahrten oder solche mit normalen Velos ersetzt. Ein Effekt, der sich – basierend auf der Auswertung – mit schnellen E-Bikes weniger stark akzentuiert.
Die Schweiz ist gefordert
Im Fazit attestieren die Forscher den schnellen E-Bikes das Potenzial, um motorisierte Verkehrsmittel zu ersetzen. Die Autoren empfehlen denn auch, Speedpedelecs als klare Alternative zu Autos und Motorrädern zu fördern. Dafür brauche es einen Ausbau der Veloinfrastruktur in der Schweiz.
«Gleichzeitig sollte vermieden werden, dass das Interesse an langsameren Elektrovelos sinkt, die zweifellos besser auf die Bedürfnisse einer Vielzahl von Menschen zugeschnitten sind und sich besser in städtische Zentren mit niedriger Geschwindigkeit integrieren lassen, da sie normalen Fahrrädern ähnlicher sind», heisst es weiter im Artikel.